Sittenwidrige Einheitspreise für Mehrmengen

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"Steht der Einheitspreis einer Position, in der sich Mehrmengen zwingend im Bauablauf ergeben werden, in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zur Leistung, so kann die dieser Preisbildung zugrundeliegende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein.

In seinem Urteil vom 18.12.2008 hat der Bundesgerichtshof die Rechtslage hinsichtlich der immer wieder vorkommenden Situation, dass der Bieter anhand des Leistungsverzeichnisses erkennt, dass in einer Position ganz erhebliche Mehrmengen auftreten werden und er deshalb einen überhöhten Einheitspreis bietet, klärend behandelt. Immer wieder erhalten Unternehmer, die unter Umständen aufgrund ihrer dem Auftraggeber überlegenen Erfahrung erkennen, dass einzelne Positionen im Leistungsverzeichnis eine viel zu geringe Menge angegeben haben und die dann einen weitaus überhöhten Einheitspreis anbieten und dieses Missverhältnis im Gesamtpreis dadurch verstecken, das sie an anderer Stelle weit unter dem üblichen Preis bleiben, die Gelegenheit zur Nachforderung in ganz unverdienter Weise. Einen derartigen Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden. Ein Bieter hatte für ein Kilogramm Stahl, der üblicherweise mit DM 2,50 bepreist wird, einen Kilogrammpreis in Höhe von DM 2.210,00 angeboten. Da absehbar war, dass sich diese Menge hinsichtlich der einen Position versiebenfachen und hinsichtlich der anderen Position verdreifachen würde, entstanden plötzlich unabsehbare Mehrkosten, letztendlich in Höhe von DM 3.300.000,00. Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass dann, wenn der Anbieter von einer derartigen Mengenmehrung ausgeht und deshalb den überholten Einheitspreis möglichst unauffällig (durch Verringerung anderer Preise und damit des Gesamtpreises) versteckt, also ein wucherähnliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (objektiv) sittenwidrig verursachen möchte (subjektiv), eine zu einer Vereinbarung führende Preisfestsetzung insoweit sittenwidrig ist. Wenn der Bieter in einer Position des Leistungsverzeichnisses einen außerordentlich überhöhten Einheitspreis angegeben hat, besteht hinsichtlich der subjektiven Komponente, die widerlegbare Vermutung, dass er in dieser Position auf eine Mengenmehrung hofft und durch Preisvorschreibung für diese Mengenmehrung einen außerordentlich überholten Preis erzielen will. Der Bundesgerichtshof bewertet diese Spekulation jedenfalls dann als sittenverwerflich, wenn sie zu dermaßen überhöhten Preisen führt, wie im vorliegenden Fall. In diesem Fall, in dem sich ein Auftraggeber einen außerordentlich überhöhten Preis versprechen lässt, muss er Umstände darlegen, die die Vermutung des sittlich verwerflichen Gewinnstrebens ausräumen. Da eben diese vorsätzlich sittenwidrige Ausnutzung einer Fehlkalkulation des Anbieters hinsichtlich der Mengen die Grundlage für diese Beurteilung ist, steht dieser Wertung nicht entgegen, dass sich ein Anbieter in einem anderen Fall, in dem er versehentlich einen viel zu geringen Mengeneinheitspreis angibt, sich an dieser Angabe festhalten lassen muss. Es wäre bedenklich, wenn es vertragsrechtlich ohne weiteres zulässig wäre, die Kooperation der Parteien in der Weise zu beginnen, dass der Unternehmer über erkannter Ausschreibungsmengen nicht aufklärt, sondern diese dazu nutzt, über von ihm voraussehende oder vermutete Nachtragssachverhalte Positionspreise zu erzielen, die das angemessene Maß deutlich überschreiten. Die vorsätzliche Schädigungsabsicht ist nicht schützenswert. Demgegenüber sei der Auftraggeber schützenswert, wenn der Unternehmer versehentlich einen zu niedrigen Einheitspreis angeboten hat. Der Bundesgerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass gesondert die Mehrmengenvergütungsvereinbarung als sittenwidrig und damit unwirksam betrachtet werden kann. Dazu der BGH: "Denn die VOB/B sieht vor, das auf Verlangen ein neuer Preis für die Überschreitung des Mengenansatzes unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren bzw. zu vermitteln ist." Der Bundesgerichtshof legt dann den Vertrag ergänzend aus und lässt die Mehrmengenvergütungsvereinbarung nicht ersatzlos entfallen: "Die Nichtigkeit dieses Teils des Rechtsgeschäfts führt nicht dazu, dass die jeweilige Position, soweit es um die Mehrmenge geht, nicht wirksam vereinbart wäre, was auch zur Folge hätte, dass die entsprechenden Leistungen nicht erbracht werden müssen. An die Stelle der nichtigen Vereinbarung zur Vergütung der Mehrmengen tritt vielmehr die Vereinbarung, die Mehrmengen nach den üblichen Einheitspreisen zu vergüten. In entsprechender Anwendung des § 632 Abs. 2 BGB tritt also der Anspruch auf die übliche Vergütung an die Stelle des Anspruches aus der nichtigen Vergütungsvereinbarung. Der Bundesgerichtshof weist damit ausdrücklich die Ansicht des Berufungsgerichtes zurück, dass nämlich ein gerade noch zulässiges Höchstmaß eines Spekulationspreises als vereinbart zu gelten habe.